Wednesday, March 15, 2017

Karl-Otto Apel turns 95 today

In "Frankfurter Rundschau" (March 15, 2017), Michael Hesse congratulates Karl-Otto Apel on his 95th birthday:

"Du existierst"

Excerpts

"Es ist ein schöner Frühlingstag und der Philosoph kommt ins Erzählen. Er gräbt tief in seinen Erinnerungen, schärft seine Begriffe und präsentiert manche Anekdote. Karl-Otto Apel ist einer der ganz großen deutschen Nachkriegsphilosophen. Viele meinen, er sei neben Jürgen Habermas der bedeutendste. Wer der wirklich Größte und Beste ist, ist auch unter Philosophen eine heikle Frage. Und einig ist man nur darin, dass hier völlige Uneinigkeit herrscht. Fraglos hingegen ist, dass Apel der deutschen Philosophie einen Hauch von Übersee verpasst hat. Denn er war einer der ersten, welche die Wahrheit nicht mehr nur in knöchernen Begriffssystemen suchte, sondern sie in der lebendigen Sprache zu finden meinte. Für deutsche Denker ein klassischer Umsturzversuch. Sprachphilosophische Wende nannte man den neuen Ansatz – oder linguistic turn, wie es wohl als einer der ersten der US-Philosoph Richard Rorty tat.

Daraus erwuchs bei Apel etwas, was unter „transzendentaler Sprachpragmatik“ Eingang in die Welt der Denker fand. „Transformation der Philosophie“ lautete der Titel seiner durchschlagenden Schrift, in der er sein Denken vorstellte. Um der Philosophie einen Sinn zu geben, musste sie erst überführt werden aus den klassischen Denksystemen in eine neue, offene Welt.

Aber auch in dieser, das war und blieb Apels feste Überzeugung, gibt es einen archimedischen Punkt. Ein Letztes, hinter das wir nicht gehen können, das uns aber die Sicherheit für die Welt des Wandels und die wechselnden Werte gibt. Wir finden es, wenn wir auf die Voraussetzungen unseres Denkens und Handelns blicken. Etwa wenn einer sagt: „Du existierst nicht“ oder „Ich plädiere für Streit als Ziel der Diskurse“ geraten sie in Selbstwidersprüche, da sie den „Nicht-Existierenden“ als Existierenden ansprechen und durch das Plädoyer ja Einigkeit erstreben. Wenn es aber solche unbestreibaren Gründe gibt, lassen sich auch Prinzipien formulieren, aus denen andere Wahrheiten folgen. Das war ein echter Clou von Apel. Dieses Letzte bewahrt uns davor, dass wir offenkundigen Unsinn reden."

(.....)

"1950 lernte er einen Mann aus Gummersbach kennen. „Damals habe ich promoviert und Jürgen Habermas kennengelernt.“ Sie wurden Freunde. Sie wollten die Welt verändern, sagt er. „Habermas und ich waren sehr nah beieinander in unserem politischen Denken. Wir wollten beide den Nationalismus überwinden und für Europa und eine weltbürgerliche Ordnung eintreten.“

Sie hatten ähnliche Ansätze und gingen dann doch eigene Wege: „Wir haben uns in der Tat voneinander entfernt“, erklärt Apel. Er war sich mit Habermas einig, dass das heutige Denken post-metaphysisch sein muss. Es gibt kein Zurück mehr in die Zeiten, in denen Hegel seine Systemphilosophie ausbreitete, geschweige denn in die Zeiten, in denen die Denker Gottesbeweise führten. Er entwickelte einen eigenen Ansatz. Seine Philosophie ist getragen von der Sorge um die ethische Grundlage des menschlichen Handelns. Es sollte nicht kulturellen Differenzen zum Opfer fallen, sondern universal gelten. Die ethischen Regeln werden im Diskurs festgelegt. Über Moral lässt sich reden. Menschenrechte taugen nicht zum Relativismus."

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